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ℹ️ Pressemappe zur Räumung

Pressemappe zur Räumung

Einleitung

• Die Pressekonferenz geben (von links nach rechts): Samuel Bosch (20, Baumpfleger*in), Charlie Kiehne (20, Baumpfleger*in), Sven Habich (48, Entwicklungsingenieur)
• Im Hintergrund sind noch die Reste unseres Baumhausdorfs zu sehen. Aktuell laufen die Räumungsarbeiten. Wann der tatsächliche Baubeginn des Bettenhauses sein wird, kann aufgrund von möglichen Verzögerungen durch die Energiekrise aktuell niemand abschätzen.
• Vom 4. Oktober 2022 bis zum gestrigen 17. Januar 2013 besetzten wir den Eichenwald. Das sind 104 Tage oder 3½ Monate. Mit der Erstbesetzung im Februar konnten wir damals erfolgreich die Rodung verhindern.
• Wir sind pro Bettenhaus. Auf den Parkplatz statt in den Wald! Das Argument, dass das auf Luftbildaufnahmen unordentlich aussehen würde, überzeugt uns nicht. Die Fortführung des Schachbrettmusters sehen wir als weniger wichtig als den Waldschutz an.
• Der Eichenwald ist ein hohes Gut: Er versorgt uns mit Frischluft, er trägt erhebliche zur Abkühlung des Stadtklimas bei, er schützt bei Sturzregen die tiefer gelegenen Teile vor Überschwemmungen. Und er bindet CO₂.
• Der Eichenwald hat noch eine Zukunft: Die Fläche ist noch nicht versiegelt. Noch sind nicht alle Bäume gefällt, und selbst wenn, gibt es noch den Waldboden. Waldboden ist sehr wertvoll und wächst nur langsam, ein Millimeter pro Jahr. Die Uniklinik hat einen Weg zurück!
• Die Uniklinik rodet den Eichenwald in großem Maßstab – nur aufgeteilt auf immer neue kleine Häppchen. Früher war das hier alles Wald. Weder das Land Baden-Württemberg noch die Stadt hat kein Konzept, wie sie dieser Salami-Taktik Einhalt gebieten möchte. Die Uniklinik denkt nicht daran, zeitgemäße Bauweisen in die Höhe einzusetzen und geht immer in die Fläche.
• Man sollte keine Bäume fällen, die älter als man selbst sind! Bäume sind unsere wenigen natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Auf spekulative Ersatzpflanzungsexperimente ist kein Verlass. Spekulative Neupflanzungen benötigen 80 bis 100 Jahre, bis sie dieselben Funktionen erfüllen wie Bestandswald – CO₂-Bindung, Lärmreduktion, Luftfilterung, Umgebungsabkühlung, Heimat für bedrohte Tierarten – und auch nur dann, wenn die Aufforstungsexperimente angesichts der Erdaufheizung überhaupt erfolgreich sein sollten. Wenn die Uniklinik auf ihre Ersatzpflanzungsexperimente verweist, zieht sie einen falschen Vergleich, denn dabei werden nicht versiegelte Flächen entsiegelt, sondern lediglich Setzlinge auf Wiesen oder Äcker gepflanzt.

Zur gestrigen Räumung

• Die Uniklinik bereitete die Räumung letzte Woche vor, indem sie ausgedachte Totholzmarkierungen an den Bäumen anbrachte.
• Bäume, die wir aufgrund ihrer Vitalität für unsere Baumhäuser ausgesucht hatten, wurden mit der falschen Totholzmarkierung versehen. Tatsächlich kranke Bäume, die wir deswegen für unser Traversennetzwerk nicht nutzten, wurden dagegen ausgespart.
• Konstruierte die Uniklinik damit einen Räumungsvorwand wie bei der im Nachhinein gerichtlich für rechtswidrig erklärten Räumung des Hambacher Forsts? "Ich brauche einen Vorwand, [...] ich wollt' den Wald räumen", erklärte damals der gefallene CDU-Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet.
• Dass es gestern zur Räumung kam, war trotzdem eine Überraschung für uns. Kurz vor 7:30 Uhr wurde unser Baumhausdorf umstellt, erst von Security-Personal, dann von Polizei. Anschließend wurde das Dorf ringsrum mit einem Bauzaun abgeriegelt und uns Hausfriedensbruch vorgeworfen. Schlussendlich wurden wir in einem langwierigen Prozess von SEK-Beamten aus unseren Baumhäusern geholt, zur Gefangenensammelstelle in der Römerstraße verbracht und nach Personalienaufnahme freigelassen.

War die Räumung rechtswidrig?

• Bei unserem Baumhausdorf handelte es sich um eine vom Grundgesetz geschützte Versammlung. Dazu gibt es sowohl obergerichtliche Urteile zu anderen Waldbesetzungen als auch ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht, dass Versammlungen auf Privatflächen möglich sind. Die Behörden erklärten unsere Versammlung nicht für aufgelöst.
• Die ausführliche Rechtseinschätzung von Klaus Schulz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Ravensburg ist folgende.
  
  Wie nach jeder Räumung stellt sich für den Juristen die spannende Frage der Rechtmäßigkeit. Spätestens nachdem das Verwaltungsgericht Köln (die Entscheidung ist rechtskräftig) die von der Landesregierung von NRW angeordnete Räumung des Hambacher Forsts 2018 als rechtswidrig eingeordnet hat, müsste die Exekutive die Bedeutung eines grundrechtskonformen Vorgehens bei Räumungen von Waldbesetzungen klar geworden sein, zumal eine Räumung immer nur das letzte Mittel sein darf. Das bedeutet, das die Ordnungsbehörden alle anderen Mittel ausschöpfen müssen und auch erst dann räumen dürfen, wenn zeitlich kein Aufschub mehr möglich ist.
  
  Im vorliegenden Fall hatten mich die betroffenen Aktivist*innen in der vergangenen Woche um eine Einschätzung gebeten, da die Stadt Ulm die Baumbesetzung nicht als Versammlung ansah, mit der Begründung, der Wald stehe in privatem Eigentum. Diese Auffassung ist indes eindeutig falsch. Nach völlig unbestrittener Rechtsprechung bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht kann Ort einer nach Art. 8 GG geschützten Versammlung auch eine private, öffentlich zugängliche Fläche sein, ganz ausdrücklich auch nicht eingefriedete Waldflächen. Eine solche Versammlung ist per se rechtmäßig, solange sie nicht aufgelöst oder kollektiv unfriedlich ist, erst dann endet der Schutz des Art. 8 GG. Die Auflösung einer Versammlung ist ein Verwaltungsakt. Er muss ausdrücklich erfolgen und begründet werden. Dagegen gibt es Rechtsmittel. Soweit mir bekannt, gab es eine solche Auflösung im vorliegenden Fall nicht, was sich als logischer Folgefehler des oben dargestellten Rechtsirrtums der Stadt Ulm erklärt.
  
  Im Übrigen lagen aus meiner Sicht auch die Voraussetzungen für eine Auflösung nach Versammlungsgesetz nicht vor. Eine kollektive Unfriedlichkeit – da denken wir bei Versammlungen an Steinwürfe und abgefeuerte Raketen – lag ebenfalls nicht vor. Auch wenn man das alles anders sehen würde, wäre für eine Räumung noch eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich und eine zeitliche Unaufschiebbarkeit, was hier fernliegt.
  
  Zum Vorwurf des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB möchte ich kurz anmerken, dass in Ermangelung an Häusern nur die Variante des „Eindringen in ein befriedetes Besitztum“ in Frage kommt. Eine Befriedung ist üblicherweise ein Zaun oder ein ähnliches physisches Hindernis. Ein solches Hindernis gab es hier nicht. Ein späteres Errichten eines Zaunes um die Waldfläche macht das Verweilen im Baum auch nicht zum Hausfriedensbruch, da man verweilend nicht eindringen kann. Im vorliegenden Fall kann sich aus meiner Sicht nur die Frage stellen, welche Folgen das rechtswidrige Vorgehen der Ordnungsbehörden hat.

Ausblick

• Sowohl Uniklinik als auch die Stadt Ulm verfolgen weitere Rodungsprojekte. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Letztes Jahr etwa wurde beim Gleisdreieck gerodet. Die Regierung hat die Klimakrise nicht im Griff.
• Wie fordern, dass alle laufenden und zukünftigen Vorhaben auf Klimaverträglichkeit geprüft werden. Lieber Stadtrat, lieber Baubürgermeister von Winning: Sinnlose Baumfällungen in Zeiten der Klimakrise sind aus der Zeit gefallen. Suchen Sie gute Lösungen im Sinne der Bürger*innen. Wir benötigen keine achtspurige Autobahn in die Stadt und keine neuen Parkhäuser in der Stadt. Wir brauchen natürliche Klimaanlagen in Form von Wäldern. Klimakatastrophen werden auch an Ulm nicht vorbeigehen!
• Die Rodung des Eichenwalds ist ein Sinnbild für Klimazerstörung, wie sie in Deutschland aktuell Trend ist. Lützerath ist in aller Munde. Aber auch bei Dresden und Frankfurt sollen Wälder gerodet werden, für Erweiterung einer Kiesgrube und eine neue Autobahn. Ein Ende dieser Zerstörung ist nicht absehbar.
• Natürlich ist es gut und richtig, sich an frühere Verträge zu halten. Doch in letzter Konsequenz führt das zu einer Erdaufheizung von mehreren Grad mit nie gekannten fortwährenden weltweite Katastrophen. Verträge, die vor Jahrzehnten ohne jede Berücksichtigung der Entwicklung der Klimakrise geschlossen wurden, müssen gesellschaftlich neu ausgehandelt werden.
• Der Gemeinderat muss also alle Baurechtspläne überarbeiten. Das betrifft konkret auch die Vorstellung, die Kliniken vom Michelsberg hier zum Eichenwald zu holen. Wo sollen die hier Platz finden? Es braucht demokratische Debatten statt Hinterzimmerentscheidungen. Der Salami-Taktik der Uniklinik muss Einhalt geboten werden.

Besetzungstagebuch

Früher Tagebucheinträge und Tagebucheinträge der Erstbesetzung im Telegram-Infokanal.

Fünfter Neubesetzungstag (8.10.2022) 🥰

Vorbereitungen, Bilder von Kindern, Höhenrettungsworkshop

Heute brummte es nur so vor Aktivität im Eichi! Wir haben heute richtig viel geschafft, alle hatten viel zu tun: Wir bereiteten die morgige Innenstadtkletteraktion zum marktoffenen Sonntag vor, führten viele gute Gespräche, legten den Grundstein für unser viertes Baumhaus, ... Lecker Essen gab es auch wieder! Ob es dem führenden Ulmer Rodungspolitiker, der für kommende Woche um ein Gespräch bat, bei uns gefallen wird...?

Ganz besonders freuten wir uns heute über die selbst gemalten Bilder, die uns Kinder vorbeibrachten. 🧑‍🎨 Die möchten ebenfalls, dass der Eichi bleibt. Und brachten jede Menge kluge Ideen und gute Fragen mit. Morgen gibt es Fotos von ihren Bildern! 🖼 Wir konnten nicht gut erklären, wieso der Eichi gerodet werden soll. Es wäre ja so einfach — auf dem Parkplatz ist ja genügend Platz für das Bettenhaus und andere Alternativen gibt es auch. 🤷‍♀️ Es mangelt nur an politischem Willen. Aber wir sind Aktivist*innen! Wir wissen, wie wir politischen Willen schaffen 💪

Wir können für morgen Nachmittag auch einen Workshop zu Höhenrettung anbieten. 🧗‍♀️ Nachdem mittlerweile viele Menschen klettern lernten, ist das der nächste Schritt. Ein absolutes Muss für alle, die schon Basiswissen haben. Und Einstiegsworkshops für Neulinge gibt es natürlich auch wieder. 👋

Jetzt gehen wir erst mal schlafen. 😴 Wie wohl unsere Innenstadtkletteraktion morgen wird? Ein in Ulm aktives Medienhaus hielt sich früher schon mal nicht an die in der Branche übliche Sperrfrist, und wurde dafür von anderen Medien ziemlich kritisiert. Deswegen könnte es sein, dass der geheime Treffpunkt an die Polizei durchgestochen wurde und sie so unsere Aufklärungsaktion verhindern kann. Um 11:00 Uhr werden wir mehr wissen. 🤞 In der Austauschgruppe (https://t.me/ulmer_eichenwald_austausch) werden wir über den Aktionsverlauf informieren.

Gute Nacht und morgen einen schönen Sonntag! Falls ihr aus der Ferne diese Zeilen liest, hoffen wir, dass ihr auch bei euch einen so schönen Schlafplatz in 20 Meter Höhe habt wie wir hier. 🏕🌅🌈 Und wisst ihr was?

Eichi bleibt! ✊✊

Vierter Neubesetzungstag 🥰

Aufregung, pro Bettenhaus, Kletterworkshops für groß und klein

Heute verursachten wir ziemlich viel Aufregung bei der Polizei. Denn gestern Nacht informierten wir die Presse über unsere Pläne, am morgigen Sonntag mit einer besonderen Kletteraktion auch in der Innenstadt auf Beton-Tims Betonphantasien aufmerksam zu machen. Und heute gab es direkt Artikel dazu, was prompt die Polizei dazu verleitete, mit mehreren Streifenwägen zu uns zu kommen. "Frau Kiehne!", tönte es verheißungsvoll. Herzliche Einladung zur Aktion stattfinden — 11:00 Uhr Innenstadt, an einem noch geheimen Ort. 🤫

Das gestern gemalte Banner "Pro Bettenhaus — auf den Parkplatz statt in den Wald" hängt mittlerweile schön prominent direkt am Waldrand. Wie einige Gespräche heute zeigten, konnten damit direkt Missverständnisse ausgeräumt werden.

Unser persönliches Highlight: Zu unseren Kletterworkshops heute kamen heute groß und klein. Gerade für die Kleinen ist es toll, so unkompliziert klettern zu lernen. Wir haben dafür extra Kinderklettergurte da 👍 Aber auch für uns ist es immer wieder irgendwie magisch, an Bäumen hochklettern zu können, die gar keine Queräste haben. 🧙

Wir haben jetzt übrigens insgesamt drei Baumhäuser. Das alte aus dem Februar, das neue und ein ganz neues. Das wird morgen noch weiter ausgebaut. Ist mittlerweile ein richtiges Baumhausdorf hier! 🏕

Übrigens bat uns ein führender Rodungspolitiker Ulms um ein Gespräch. Da sind wir schon ganz neugierig, auch wenn wir keine Hoffnungen hineinprojezieren. Wir machen den Wind, in den die Politiker*innen ihre Fahnen hängen! 🪁

Wir sind jeden Tag glücklich darüber, wie viel unsere kleine Neubesetzung bewirkt. Veränderung ist möglich, wenn wir uns zusammenschließen und organisieren. Das erleben wir hier jeden Tag. Danke für eure Unterstützung 💚 Jetzt ist ein besonders guter Zeitpunkt, den relevanten Zeitungen Leser*innenbriefe zu schicken!

Eichi bleibt! ✊✊